Projektbeschreibung

Erinnerung und Imaginäres:
Demokratische Bürger:innenschaft

Das Citizen Science Forschungsprojekt „Erinnerung und Imaginäres“ erforscht mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Österreich kritisch was es heißt, Bürger*in zu sein. Wer kann oder darf an politischer Gemeinschaft aktiv teilnehmen? Wer kann oder darf das nicht? Diesen Fragen widmen sich Citizen Scientists mit dem Ziel, gemeinsam Strategien zu finden die den Zustand der Ausgrenzung zu verändern.

Ziel unserer Forschung ist es erfahrbar zu machen, welche Rolle das Erinnern, Nacherzählen und Neuvorstellen von Vergangenheit und Zukunft für das Leben in einer politischen Gemeinschaft hat. In jeder Gemeinschaft gibt es unterschiedliche Geschichten von Zugehörigkeit und Ausschluss. Wir sehen heute, wie manche Menschen an den Rand der österreichischen Gesellschaft gedrängt und weniger sichtbar gemacht werden. Wir sehen auch solche, denen genau dieser Ausschluss in einer nicht allzu fernen Vergangenheit widerfahren ist.

Der besondere Fokus der Erforschung von Erinnerungen und Vorstellungen wird auf migrantische, queere und jüdische Erinnerungen und Vorstellungen gelegt. Sie alle stellen auf ihre eigene Weise Geschichten der Ausgrenzung aus der österreichischen Gesellschaft dar.

Was ist das Ziel?

Wir wollen erforschen, wie demokratische Bürger*innenschaft funktioniert, indem wir sie im kleinen Rahmen praktizieren: verschiedene Personen – Schüler*innen, Künstler*innen, Forscher*innen – kommen zusammen um über Erinnerungen und Vorstellungen von Vergangenheit und Zukunft zu lernen, sich auszutauschen und einander zuzuhören. Eigene Erfahrungen der Ausgrenzung werden womöglich von den Citizen Scientists selbst mitgebracht und geteilt.

Das Projekt setzt neue Impulse im Feld der Citizen Science, da es Citizen Science mit kunstbasierter Forschung verbindet. Erinnerungen und Vorstellungen sind kollektive und relationale Formen des Wissens, die erfahrungsbasiert, räumlich und zeitlich vielschichtig sind. Citizen Science und kunstbasierte Forschung sind innovative Wege, um Einblicke in solche Vorstellungen und ihr Potenzial für demokratische Bürger*innenschaft zu gewinnen.

Wie wird geforscht?

Im Mitforschzeitraum von Mai bis Juni finden insgesamt drei Erinnerungs-Labs in Wien statt. Die Zwischenergebnisse der drei Labs werden Ende Juni in einer gemeinsamen Generalversammlung aller teilnehmenden Citizen Scientists vorgestellt und noch einmal gemeinsam reflektiert.

Die Labs führen die teilnehmenden Citizen Scientists auf künstlerische Weise durch die Vergangenheit und Gegenwart dieser ausgewählten Gemeinschaften und ermöglichen ein kollektives Nachdenken darüber, was Erinnerung ist und wie wir uns Situationen vorstellen können, an die wir uns selbst nicht erinnern (weil wir vielleicht zu jung sind).

Gemeinsames Essen (Frühstück und Mittagessen) wird genauso Bestandteil der kollektiven Erfahrung sein wie die gedankliche und körperlich-affektive Teilnahme. Damit wir laut sprechen und denken können, brauchen wir auch die Möglichkeit uns zu beteiligen, unseren Körper und unseren Geist zu aktivieren und aufzuführen, um uns neue Realitäten vorzustellen. Die Citizen Scientists werden ihre Rolle im Erinnerungs-Lab gleichzeitig affektiv und gedanklich ausüben und so ihr Handeln und die Gruppendynamik bestimmen.

Ziel der Forschung ist es erfahrbar zu machen, welche Rolle das Erinnern, Nacherzählen und Neuvorstellen von Vergangenheit und Zukunft für das Leben in einer politischen Gemeinschaft einnimmt.

In jeder Gemeinschaft gibt es unterschiedliche Geschichten von Zugehörigkeit und Ausschluss. Der besondere Fokus wird auf migrantische, queere und jüdische Erinnerungen und Vorstellungen gelegt. Sie alle stellen auf ihre eigene Weise Geschichten der Ausgrenzung aus der österreichischen Gesellschaft dar.

Wir erforschen wie demokratische Bürger:innenschaft funktioniert, indem wir sie im kleinen Rahmen praktizieren: Schüler:innen, Künstler:innen und Forscher:innen kommen zusammen um über migrantische, queere und jüdische Erinnerungen und Vorstellungen zu lernen, sich auszutauschen, zuzuhören. Eigene Erfahrungen der Ausgrenzung werden womöglich auch von den Citizen Scientists selbst mitgebracht und geteilt.

Das Projekt setzt neue Impulse im Feld der Citizen Science, da es Citizen Science mit kunstbasierter Forschung verbindet. Erinnerungen und Vorstellungen sind kollektive und relationale Formen des Wissens, die erfahrungsbasiert, räumlich und zeitlich vielschichtig sind. Citizen Science und kunstbasierte Forschung sind innovative Wege, um Einblicke in solche Vorstellungen und ihr Potenzial für demokratische Bürger*innenschaft zu gewinnen.

Mitforschen im Erinnerungs-Lab

Mit künstlerischen Methoden wird im Rahmen von halbtägigen, angeleiteten „Erinnerungs-Labs“ Wissen über aktive Bürger*innenschaft erarbeitet und darüber diskutiert, was es bedeutet, wenn man davon ausgegrenzt ist und wie man gegen verschiedene Formen der Ausgrenzung ankämpft.

In jedem Erinnerungs-Lab werden dieselben drei künstlerische Inputs gegeben, an denen die Citizen Scientists auch aktiv teilnehmen:

  • Rap-poetry zum Thema Migration,
  • Gemeinschaft durch perfomatives Erzählen,
  • Zeichnung als Medium, zum Thema jüdische Gemeinschaft.

Zu jedem Erinnerungs-Lab werden außerdem zwei Expert*innen eingeladen und Kurzgeschichten für die Diskussion vorbereiten. Sie kommen von zwei wichtigen Organisationen der Zivilgesellschaft:

  • Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW)
  • Wiener Wiesenthal-Institut für Holocaust-Studien
  • Pädagogische Hochschule Oberösterreich, Institut für Inklusive Pädagogik

Die Labs werden von zwei Dokumentar*innen begleitet, die sie visuell und textlich mittels „graphic recording“ und stenografischen Protokollen dokumentieren.

Aus den grafischen und stenografischen Protokollen wird am Ende des Forschungszeitraums eine Publikation erstellt. Die Citizen Scientists sind dazu eingeladen, an der Erstellung der Publikation mitzuwirken.

Aufgaben der Citizen Scientists

Citizen Scientists verbringen einen halben Tag mit Künstler:innen in einem „Erinnerungs-Lab“. Hier werden Erinnerungen und Vorstellungen migrantischer, queerer und jüdischer Herkunft erarbeitet und über Ausgrenzung aufgrund von Herkunft oder einer bestimmten Identität gesprochen. Unter künstlerischer Anleitung wird gemeinsam erzählt, gerappt und gezeichnet um den Gedanken der Mitforschenden gegen Ausgrenzung einen kreativen, kraftvollen Ausdruck zu verleihen.

Forschungsteam

Das Forschungsprojekt steht unter der Leitung von Univ. Prof. Dr. Marina Gržinić und wird zusammen mit Dr. Sophie Uitz und Dr. Jovita Pristovšek am Institut für bildende Kunst der Akademie der bildenden Künste Wien umgesetzt. Finanziert wird es aus Mitteln der Top Citizen Science Förderinitiative des Wissenschaftsfonds (FWF) (TCS 119).

Citizen Science Award 2022: Von 1. April bis 8. Juli mitforschen!

Erinnerung und Imaginäres: Demokratische Bürger:innenschaft wurde zur Teilnahme am Citizen Science Award 2022 des OeAD ausgewählt.

Bereits zum siebten Mal lädt der OeAD im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung Interessierte aller Altersklassen – insbesondere Schülerinnen und Schüler – zur Teilnahme am Citizen Science Award ein. Die engagierten Citizen Scientists können im Forschungszeitraum von 1. April bis 8. Juli bei sieben ausgewählten Projekten aus den Bereichen Natur- und Sozialwissenschaften sowie Kunst mitmachen. Eine bunte Palette an Möglichkeiten zum Mitforschen mittels analoger und digitaler Forschungsmethoden ermöglicht dabei unterschiedliche Formen des Engagements. Alle Projekte sind so konzipiert, dass sie auch im Fall von Covid-19-bedingten Ausgangsbeschränkungen und Schulschließungen durchführbar sind.

Die engagiertesten Citizen Scientists werden im Rahmen einer feierlichen Festveranstaltung, die am 24. Oktober im Rahmen des Young-Science-Kongresses an der PH Wien stattfinden wird, mit Geld- und Sachpreisen ausgezeichnet.

Weitere Informationen: https://youngscience.at/de/awards-und-guetesiegel/citizen-science-award

Wissenschaftliches Abstract:
Erinnerung und Imaginäres: Demokratische Bürger*innenschaft

„Erinnerung und Imaginäres: Demokratische Bürger*innenschaft“ untersucht die Vorstellungen (imaginaries) jüdischer, queerer und migrantischer Gemeinschaften im postnazistischen Österreich von 1945 bis heute, insbesondere jene sozialen und politischen Vorstellungen, die durch Erinnerungen gemeinschaftlich geformt werden: Wie manifestieren sich Erinnerungen und Vorstellungen von jüdischen, queeren und migrantischen Gemeinschaften innerhalb der majoritären Narrative der österreichischen Gesellschaft? Wie positionieren sich die Mitglieder dieser Gemeinschaften in Bezug auf breitere hegemoniale Diskurse von Staat und Nation in Österreich heute? In welchem Ausmaß werden in diesen Gemeinschaften Gegendiskurse zu den dominanten historischen Narrativen geführt? Und wie stellen sie die vorherrschende Konstruktion von Staatsbürger*innenschaft in Frage?

Demokratische Bürger*innenschaft ist das Ergebnis eines Prozesses politischer Performativität, z.B. durch Erinnern, Nacherzählen und Reimagination, und basiert auf einer ständigen Suche nach Dialog und Widerstand gegen die Unterscheidung zwischen Bürger*innen, die der Mehrheitsgesellschaft angehören und jenen, die aus verschiedenen Gründen nicht dazu zählen. Es ist die Durchführung dieses Prozesses demokratischer Bürger*innenschaft, die mit diesem Projekt ermöglicht werden soll.

Das Forschungsprojekt setzt neue Impulse im Feld der Citizen Science dar, da es Citizen Science mit kunstbasierter Forschung verbindet. Imaginäres Wissen ist eine kollektive und relationale Form des Wissens, die erfahrungsbasiert, räumlich und zeitlich vielschichtig ist. Citizen Science und kunstbasierte Forschung sind innovative Wege, um Einblicke in solche Vorstellungen und ihr Potenzial für demokratische Bürger*innenschaft zu gewinnen. Die Erforschung der Erinnerungen und Vorstellungen der drei marginalisierten Gemeinschaften ist zeitgemäß und birgt Potenzial für neue Erkenntnisse in den citizen humanities.

Scientific Abstract:
Memories and Imaginaries: Democratic Citizenship

The citizen science research project “Memories and Imaginaries: Democratic Citizenship” investigates the imaginaries of Jewish, queer, and migrant citizen groups in post-Nazi Austria from 1945 until today, specifically imaginaries formed through memories: How are memories and imaginaries from Jewish, queer and migrant communities manifested within majoritarian narratives of Austrian society? How do members of these communities position themselves in relation to broader hegemonic discourses of state and nationhood in Austria today? To what extent are counter-discourses to dominant historic narratives performed in these communities? And how do they challenge the predominant construction of citizenship?

Democratic citizenship constitutes the outcome of a process of political performativity through e.g. remembering, retelling, reimagining and is based on a constant seeking of dialogue and opposition to the differentiations of the majoritarian citizens from those who are not – or should not be – citizens. It is the performance of this process by citizens themselves that this project seeks to facilitate.

The proposed project is a relative novelty, combining citizen science with arts-based research. Imaginaries are a collective and relational form of knowledge that is experiential, pluri-spatial and pluri-temporal. CS and arts-based research are an innovative way of gaining insights onto such imaginaries and their potential for democratic citizenship. The exploration of memories and imaginaries of the three marginalized communities is timely and has the potential to inform the citizen humanities.